Trotzdem sorgte sie für technische Innovationen, von denen selbst damalige Luxuskarossen nur träumen konnten: Servolenkung, Scheibenbremsen und eine Schaltung mit automatischer Kupplungsbetätigung. Alles wurde betrieben von der für Citroën typischen Hydropneumatik, von der sich die Marke leider Stück für Stück verabschiedet. Sie lässt eine DS wie auf Wolken schweben.
Entworfen von dem Bildhauer Flaminio Bertoni, versetzte sie bereits bei ihrer Vorstellung auf dem Pariser Autosalon 1955 das Publikum in Erstaunen und Ekstase – und brachte Citroën am ersten Abend der Messe unglaubliche 12.000 Bestellungen ein.
Die DS wurde in ihrer 20-jährigen Bauzeit fast 1,5 Millionen Mal verkauft und war trotzdem immer ein Verlustgeschäft für den französischen Automobilkonzern. Ein anderes Problem der Göttin war, dass einige der ersten Besitzer von der neuen Schaltung und Lenkung völlig überfordert waren. Sie landeten teilweise im Straßengraben oder blieben mit Motor- und Getriebe-Schäden liegen. Die normalen Mechaniker waren von der innovativen Technik ebenfalls vollkommen überfordert, und noch heute winken die meisten Werkstätten erschrocken ab, wenn eine DS auf den Hof fährt.
Citroën DS - Pariser Salon 1961 - hier war noch Platz in und um die Autos herumCitroën DS - Pariser Salon 1961Trotz allem wurde die DS zum Sinnbild dessen, was moderner Automobilbau sein kann. Schauspieler wie Jean Gabin, Louis de Funès und Alain Delon – als eiskalter Engel klaut er sie für seine bösen Taten – fuhren sie in ihren Filmen, und Charles de Gaulle rettete sie bei einem Attentat das Leben. Der gallische Präsident konnte sich nach einem Angriff im vollkommen von Kugeln durchsiebten Wagen retten, weil die Hydraulik der DS zwei platte Reifen ausglich – und sie einfach weiterfuhr.
So wurde die Göttin zur Legende – und ist bis heute noch eines der schönsten Automobile aller Zeiten. Ein Exemplar hat es sogar bis ins Museum of Modern Art in New York geschafft – als Nachbarin eines Jaguar E-Type. Jeden Tag sehen wir Werbefilme oder Musikvideos mit einer DS – so ein Auto müsste neu erschaffen werden. Ich wuchs mit einer DS auf und fuhr mit der Familie in einem Break – so heißen bei Citroën die Kombis – in die Ferien. Nun chauffiere ich seit über zehn Jahren selbst das genialste Auto der Welt. Die erste ist vom Rost gefressen worden, meine aktuelle 69er DS 21 Pallas braucht alle paar Jahre etwas neues Blech und ein bisschen frischen Lack. Dazwischen reiche ich meiner leicht inkontinenten alten Dame allerlei Flüssigkeiten: ab und zu etwas Wasser, ein Schlückchen Öl und natürlich die gute grüne Sauce, sprich Hydraulik-Flüssigkeit LHM.
Einsteigen, mit dem Ganghebel anlassen. Sie erhebt sich hinten und dann ganz gemächlich vorn. Auf den Bremsknopf treten und dann den ersten Gang einlegen. Es pifft, und beim Einlenken gibt es ein zischendes Geräusch, das jeder DS-Fan liebt – die Göttin setzt sich in Bewegung. Auch noch heute ist das Fahrgefühl unbeschreiblich – sie schwebt und sie lebt …
Gerd A. Schaefer